Ein Hund frisst Gras

Hund frisst Gras: Nährstoffmangel, Übelkeit oder Langeweile?

⚠️ Gefahr am Wegrand (Lungenwürmer): Gras an sich ist für Hunde meist harmlos. Die Gefahr lauert darauf: Schnecken und deren Schleimspuren können Larven des Lungenwurms übertragen. Meiden Sie zudem Gras an vielbefahrenen Straßen (Abgase) oder Feldrändern (Pestizide/Dünger).

Es ist ein vertrautes Bild: Der Hund verwandelt sich beim Spaziergang plötzlich in eine Kuh und weidet den Grünstreifen ab. Viele Halter fragen sich besorgt: „Fehlt ihm etwas im Futter?“ oder „Hat er Bauchschmerzen?“

Als Ernährungsberaterin kann ich Sie meist beruhigen: Ein echter Nährstoffmangel ist bei modernem Alleinfuttermittel extrem selten. Als Sanitäterin schaue ich jedoch genau hin, wie er frisst. Rupft er hektisch ganze Büschel aus und schluckt Erde mit, versucht er oft instinktiv, einen Brechreiz auszulösen. In diesem Artikel lernen Sie, den Unterschied zwischen „Genuss-Grasen“ und „Notfall-Grasen“ zu erkennen.

📌 Das Wichtigste in Kürze (Fakten-Check)

  • Häufigste Ursache: „Magenreinigung“. Die rauen Halme kitzeln die Magenschleimhaut und helfen, Unverdauliches (Haare, Knochensplitter) zu erbrechen.
  • Der Mythos: Nährstoffmangel ist fast nie der Grund.
  • Verdauung: Hunde können Gras nicht verdauen. Es kommt hinten oft unverdaut (als „Grashalm-Kette“) wieder heraus.
  • Wann zum Arzt: Wenn der Hund panisch Gras frisst, aber nicht erbrechen kann (Verdacht auf Magendrehung oder Fremdkörper).

Leidet Ihr Hund öfter unter Magenproblemen? Lesen Sie auch: Durchfall beim Hund: Wann zum Arzt?

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Warum tun sie das? (Die 3 Gründe)

Verhaltensforscher gehen davon aus, dass Grasfressen ein „Atavismus“ (Erbe der Wölfe) ist. Aber es hat auch ganz praktische Gründe im Hier und Jetzt:

  1. Reinigung (Emeticum): Der Hund hat etwas „Falsches“ gefressen, Haare im Magen oder zu viel Magensäure. Die Grashalme wirken wie eine Bürste im Magen und lösen Erbrechen aus.
  2. Geschmack & Langeweile: Junges, süßes Frühlingsgras („Quecke“) enthält viel Zucker und schmeckt einfach gut. Oft ist es auch eine Übersprungshandlung bei Stress oder Langeweile am Wegrand.
  3. Ballaststoffe: Manchmal fehlt tatsächlich Rohfaser im Futter. Hier kann die Zugabe von Gemüse (siehe unsere Lebensmittel-Tabelle) helfen.

Hektisches Fressen: Ein Alarmsignal

Achten Sie auf die Intensität und Körpersprache:

  • Der Genießer: Er sucht sich gezielt einzelne, saftige Halme aus, kaut langsam und wirkt entspannt. -> Harmlos.
  • Der Getriebene: Er reißt Gras büschelweise samt Erde aus, schluckt es ohne zu kauen, wirkt gestresst, schmatzt oder speichelt. -> Medizinisches Problem (Übelkeit/Sodbrennen).

Achtung bei After-Problemen: Wenn lange Grashalme im Kot stecken bleiben, ziehen Sie diese bitte ganz vorsichtig heraus (oder schneiden Sie sie ab). Ein ruckartiges Ziehen kann die empfindliche Darmschleimhaut verletzen („Säge-Effekt“). Wenn der Hund danach „Schlitten fährt“, prüfen Sie auch auf Würmer oder Analdrüsen.

Vergleichsgrafik: Links 'Der Genießer' (wählt Halme aus, entspannt). Rechts 'Der Panische' (reißt Büschel aus, speichelt). Text: Genuss vs. Übelkeit.
Hektisches Grasfressen ist oft der Versuch, Magensäure zu binden oder Erbrechen auszulösen.

Die unsichtbare Gefahr: Lungenwürmer

Gras ist Natur, aber nicht immer sauber. Die größte Gefahr sind Schnecken. Selbst wenn der Hund die Schnecke nicht frisst: Winzige Larven des Lungenwurms können im Schneckenschleim auf dem Grashalm sitzen.

Wandern diese Larven in die Lunge, verursachen sie Husten, Atemnot und Gerinnungsstörungen. Ein regelmäßiger Check (siehe unser Entwurmungs-Schema) ist für passionierte „Graser“ Pflicht.

Hausmittel gegen Sodbrennen

Wenn Ihr Hund morgens nüchtern Gras frisst und gelben Schleim erbricht (siehe Hund erbricht Gelb), leidet er oft unter „Nüchternerbrechen“ (zu viel Magensäure auf leeren Magen).

Die Lösung:

1. Geben Sie vor dem Schlafen einen kleinen Snack (Keks oder trockenes Brot).

2. Heilerde (fein, lebensmittelecht) im Futter kann überschüssige Säure binden.

3. Zwieback oder Hüttenkäse (siehe Käse-Ratgeber) beruhigen den Magen.

🐾 Aus meiner Praxis: Der „Staubsauger“ Lenny

Lenny, ein Golden Retriever, fraß bei jedem Spaziergang Gras wie eine Kuh. Sein Kot bestand fast nur noch aus Halmen, was ihm Schmerzen beim Absatz bereitete. Die Besitzer fütterten ein sehr hochwertiges, aber ballaststoffarmes Nassfutter (hoher Fleischanteil). Lennys Körper schrie nach Faserstoffen! Wir mischten täglich geraspelte Karotten und einen Löffel Futterzellulose unter sein Futter. Das Grasfressen hörte innerhalb einer Woche fast vollständig auf. Manchmal ist die Lösung einfach: Der Darm braucht Arbeit.

Ein Löffel Heilerde und ein Stück Zwieback neben einem Hundenapf. Fokus auf sanfte Hausmittel.
Heilerde bindet Säure und Gifte auf natürliche Weise – eine gute Alternative zum Gras.

Häufige Fragen (FAQ)

Soll ich den Hund Gras fressen lassen?

Ja, grundsätzlich ist es ein natürliches Verhalten (Selbstmedikation). Verhindern Sie es nur an stark gedüngten Feldern, an vielbefahrenen Straßen (Schadstoffe) oder wenn der Hund es zwanghaft tut.

Warum erbricht mein Hund nach dem Grasfressen?

Das ist oft der Sinn der Sache. Die harten Halme kitzeln den Rachen und den Mageneingang, um Übelkeit durch Erbrechen zu erleichtern („Magenreinigung“).

Ist Gras für Hunde giftig?

Gras selbst nicht (außer Ziergräser mit scharfen Kanten). Die Gefahr geht von Pestiziden, Dünger oder Parasiten (Würmern) auf dem Gras aus.

Quellenhinweis: Die verhaltensbiologischen Erklärungen zum Grasfressen basieren auf Studien zur Ethologie von Caniden (z.B. Benjamin Hart, UC Davis).

Sabine Reincke
Sabine Reincke

Sabine Reincke: Eine umfassend erfahrene Expertin für alle Themen rund um den Hund. Mit über 15 Jahren praktischer Erfahrung, darunter 10 Jahre in der DRK Rettungshundestaffel und als Mantrailer, kombiniert Sabine tiefgreifendes Fachwissen in Hundeerziehung, -verhalten und Rassekunde mit unschätzbarer praktischer Erfahrung. Derzeit vertieft sie ihre Kenntnisse in einer Hundetrainer-Ausbildung und ergänzt dies durch diverse Fachseminare, auch im Bereich Hundegesundheit. Als ausgebildete Sanitäterin und durch ihre Präsenz in der Presse ist Sabine eine anerkannte Autorität, die vertrauenswürdige und fundierte Informationen zu allen Aspekten des Hundelebens bietet.

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