Ein Hund springt seinen Besitzer an.

Hund das Anspringen abgewöhnen: Eine praxiserprobte Anleitung von Expertin Sabine Reincke

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Kaum etwas ist für Hundehalter so herausfordernd und alltäglich wie ein Hund, der aus lauter Freude oder Aufregung an Menschen hochspringt. Ob es der eigene Vierbeiner ist, der Sie nach der Arbeit stürmisch begrüßt, oder der Hund, der enthusiastisch auf Gäste zuspringt – dieses Verhalten kann schnell unangenehm und im schlimmsten Fall sogar gefährlich werden. Als Expertin mit über 15 Jahren Erfahrung in der Hundeausbildung, unter anderem in der DRK Rettungshundestaffel, weiß ich, Sabine Reincke, dass dieses unerwünschte Verhalten nicht nur lästig ist, sondern auch zu Missverständnissen zwischen Mensch und Hund führen kann.

Die gute Nachricht ist: Sie können Ihrem Hund das Anspringen abgewöhnen. Es erfordert Geduld, Konsequenz und das richtige Verständnis für die Motivation Ihres Vierbeiners. In diesem Leitfaden teile ich meine bewährten Methoden, damit Ihr Hund lernt, Menschen ruhig und respektvoll zu begrüßen.

Warum springt ein Hund überhaupt an? Die Motivation verstehen

Bevor wir mit dem Training beginnen, ist es entscheidend zu verstehen, was es bedeutet, wenn ein Hund Sie anspringt. Dieses Verhalten ist selten böse gemeint. Meistens steckt eine der folgenden Motivationen dahinter:

  • Freudige Begrüßung: Der häufigste Grund. Ihr Hund freut sich und möchte auf Augenhöhe sein, um Ihr Gesicht zu erreichen und seine Zuneigung zu zeigen. Es ist eine instinktive Art, um Ihre volle Aufmerksamkeit zu bekommen.
  • Aufregung & Übersprungshandlung: In Momenten hoher Erregung, etwa vor einem Spaziergang oder wenn Besuch kommt, kann das Anspringen eine Übersprungshandlung sein. Der Hund weiß nicht, wohin mit seiner Energie und leitet sie durch das Hochspringen ab.
  • Unbeabsichtigt erlerntes Verhalten: Oft wurde das Verhalten in der Vergangenheit unbewusst belohnt. Jede Form von Aufmerksamkeit – auch Schimpfen oder Wegschieben – kann vom Hund als Bestätigung verstanden werden. Für ihn bedeutet es: „Wenn ich springe, beschäftigt mein Mensch sich mit mir.“
  • Unsicherheit oder Beschwichtigung: Seltener kann das Anspringen auch ein Zeichen von Unsicherheit sein. Der Hund versucht, eine unklare soziale Situation zu managen oder zu deeskalieren.

Der Schlüssel zum Erfolg liegt darin, diese Motivation zu erkennen und Ihrem Hund ein alternatives, erwünschtes Verhalten beizubringen, für das er belohnt wird.

Die 3 Säulen des erfolgreichen Trainings: Das richtige Mindset

Um Ihrem Hund das Anspringen nachhaltig abzugewöhnen, basiert jedes erfolgreiche Training auf drei Säulen. Diese bilden die Grundlage für eine klare Kommunikation und ein faires Miteinander.

  1. Absolute Konsequenz: Alle Personen im Haushalt und auch regelmäßige Besucher müssen an einem Strang ziehen. Wenn das Anspringen manchmal erlaubt und manchmal verboten ist, kann Ihr Hund keine klare Regel lernen. Das verwirrt ihn und sabotiert den Trainingserfolg.
  2. Positive Verstärkung statt Strafe: Schimpfen, Anschreien oder physisches Korrigieren (z.B. mit dem Knie blocken) sind kontraproduktiv. Solche Methoden können Ihren Hund verunsichern, Angst schüren oder das unerwünschte Verhalten durch die geschenkte Aufmerksamkeit sogar verstärken. Wir wollen dem Hund ein neues Verhalten beibringen, nicht, dass er Angst vor Begrüßungen entwickelt.
  3. Geduld und realistische Erwartungen: Ein Verhalten, das Ihr Hund vielleicht schon seit Monaten oder Jahren zeigt, wird nicht über Nacht verschwinden. Bleiben Sie geduldig, feiern Sie kleine Fortschritte und geben Sie nicht auf.

Schritt-für-Schritt-Anleitung: Dem Hund das Anspringen abgewöhnen

Kommen wir nun zu den konkreten Methoden, die sich in meiner Praxis bewährt haben.

Methode 1: Gezieltes Ignorieren – Die Macht der ausbleibenden Aufmerksamkeit

Dies ist die wichtigste Übung. Ihr Hund lernt dabei eine simple Lektion: „Anspringen führt dazu, dass der Spaß aufhört.“

  • Im Moment des Anspringens: Sobald Ihr Hund ansetzt, an Ihnen hochzuspringen, drehen Sie sich sofort kommentarlos weg. Verschränken Sie die Arme und vermeiden Sie jeglichen Blick- oder Körperkontakt.
  • Die Belohnung für ruhiges Verhalten: In dem Moment, in dem Ihr Hund mit allen vier Pfoten auf dem Boden ist – und sei es nur für eine Sekunde –, drehen Sie sich ruhig wieder zu ihm. Loben Sie ihn mit sanfter Stimme und streicheln Sie ihn, wenn er ruhig bleibt. Gehen Sie dazu am besten in die Hocke.
  • Konsequent wiederholen: Springt er erneut hoch, wiederholen Sie das Wegdrehen sofort. Ihr Hund wird schnell die Verknüpfung lernen: Vier Pfoten am Boden = Zuwendung. Zwei Pfoten an Ihnen = Ihr Mensch wird zur „Salzsäule“.

Methode 2: Ein Alternativverhalten etablieren – „Sitz“ statt Sprung

Es reicht nicht, Ihrem Hund nur zu zeigen, was er nicht tun soll. Bieten Sie ihm eine klare Alternative an. Das Kommando „Sitz“ ist hierfür ideal, da ein sitzender Hund nicht gleichzeitig springen kann.

  • Vorausschauend handeln: Erkennen Sie die Anzeichen, dass Ihr Hund aufgeregt wird und gleich springen möchte. Geben Sie genau in diesem Moment, bevor er abhebt, das ruhige und klare Kommando „Sitz“.
  • Ruhiges Sitzen belohnen: Sobald Ihr Hund sitzt, belohnen Sie ihn sofort mit einem hochwertigen Leckerli und ruhigem Lob. Die Belohnung erfolgt für das Sitzen, nicht für das unterlassene Springen.
  • Schrittweise steigern: Beginnen Sie das Training in reizarmen Situationen. Fordern Sie das „Sitz“ zur Begrüßung, wenn nur Sie den Raum betreten. Binden Sie dann nach und nach Familienmitglieder und später auch Gäste in das Training ein.
Ein Hund sitzt ruhig vor seinem Besitzer, anstatt ihn anzuspringen, und wird dafür mit einem Leckerli belohnt.

Spezialfall: Der Hund springt Gäste und fremde Menschen an

Das Anspringen von fremden Personen ist besonders heikel. Hier ist gutes Management entscheidend, um unangenehme Situationen zu vermeiden und effektiv zu trainieren.

Management-Tipps für Besuch

  • Gäste instruieren: Das ist der wichtigste Schritt. Bitten Sie Ihren Besuch vorher, den Hund beim Betreten der Wohnung komplett zu ignorieren, bis er sich beruhigt hat. Kein Ansprechen, kein Anschauen, kein Anfassen.
  • Die Leine als Hilfsmittel: Nehmen Sie Ihren Hund an die Leine, bevor Sie die Tür öffnen. So können Sie verhindern, dass er zum Gast stürmt, und haben die Kontrolle, ihn sanft in ein „Sitz“ zu führen.
  • Der feste Platz: Eine noch bessere Alternative ist, den Hund auf seinen Platz (Decke oder Körbchen) zu schicken, während der Besuch eintritt. Belohnen Sie ihn dort für das Bleiben.
  • Kontrollierte Begrüßung: Erst wenn der Hund ruhig ist (und die erste Aufregung der Gäste sich gelegt hat), darf die Begrüßung stattfinden – idealerweise, indem der Gast in die Hocke geht und der Hund weiterhin ruhig bleibt.

Häufige Fehler, die den Trainingserfolg sabotieren

  • Inkonsequenz: Der häufigste Fehler. Wenn der Hund bei Papa springen darf, bei Mama aber nicht, wird er die Regel nie verstehen.
  • Unbeabsichtigte Belohnung: Jede Reaktion ist Aufmerksamkeit. Auch ein „Nein!“, „Aus!“ oder Wegschubsen kann vom Hund als eine Form des Spiels oder der Zuwendung fehlinterpretiert werden.
  • Fehlende Alternative: Dem Hund nur zu verbieten, ohne ihm zu zeigen, was er stattdessen tun soll, führt zu Frustration und Unsicherheit.
  • Überforderung: Das Training direkt in der aufregendsten Situation (z.B. bei einer Party mit vielen Gästen) zu beginnen, ist zum Scheitern verurteilt. Steigern Sie den Schwierigkeitsgrad langsam.

Wann ist professionelle Hilfe sinnvoll?

Manchmal ist das Anspringen besonders hartnäckig, oder es mischen sich andere Verhaltensweisen wie Bellen, Schnappen oder extreme Unsicherheit darunter. Wenn Sie trotz konsequenten Trainings keine Fortschritte sehen oder sich unsicher fühlen, ist die Zusammenarbeit mit einem qualifizierten Hundetrainer oder Verhaltensberater der beste Weg.

Ein Profi kann die Situation individuell analysieren und einen maßgeschneiderten Trainingsplan erstellen. Qualifizierte Trainer, die mit modernen, positiven Methoden arbeiten, finden Sie zum Beispiel über den Berufsverband der Hundeerzieher/innen und Verhaltensberater/innen (BHV) e.V., eine anerkannte Autorität auf diesem Gebiet.

Ein persönliches Fazit von Sabine Reincke

Dem Hund das Anspringen abzugewöhnen ist eine wichtige Investition in ein harmonisches und sicheres Zusammenleben. Denken Sie immer daran: Ihr Hund versucht nicht, Sie zu ärgern, sondern kommuniziert auf seine Art. In meiner langjährigen Arbeit habe ich gesehen, dass die klarste und fairste Kommunikation über positive Verstärkung und konsequente Regeln erfolgt. Wenn Sie Ihrem Hund freundlich zeigen, welches Verhalten Sie sich von ihm wünschen, wird er es mit Freude lernen.

Mit dem nötigen Engagement und den hier gezeigten Tipps wird Ihr Hund schon bald zu einem entspannten Begleiter, der auch in freudigen Momenten mit allen vier Pfoten auf dem Boden bleibt.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was bedeutet es, wenn ein Hund einen anspringt?

In den meisten Fällen ist das Anspringen eine freundliche Geste. Der Hund zeigt seine Freude und Aufregung und versucht, zur Begrüßung auf Gesichtshöhe zu kommen. Es kann auch eine erlernte Methode sein, um Aufmerksamkeit zu erhalten, oder in manchen Fällen eine Übersprungshandlung bei Stress.

Sollte man einen Hund für das Anspringen bestrafen?

Nein, auf keinen Fall. Methoden wie das ‚Knie geben‘, Anschreien oder an der Leine reißen sind veraltet und kontraproduktiv. Sie können die Beziehung zu Ihrem Hund schädigen, ihn verunsichern oder das Verhalten durch die negative Aufmerksamkeit sogar unbeabsichtigt verstärken. Positive, konsequente Methoden sind weitaus effektiver.

Wie lange dauert es, einem Hund das Anspringen abzugewöhnen?

Die Dauer hängt von verschiedenen Faktoren ab: dem Alter des Hundes, wie lange er das Verhalten schon zeigt und vor allem von der Konsequenz des Halters. Bei einem Welpen kann es wenige Tage dauern, bei einem erwachsenen Hund mit gefestigter Gewohnheit mehrere Wochen konsequenten Trainings.

Warum springt mein Hund nur Gäste an, aber mich nicht?

Das ist ein häufiges Phänomen. Oft liegt es daran, dass der Hund bei Gästen einen höheren Erregungslevel hat. Zudem sind die Reaktionen von Gästen oft unvorhersehbarer (und manchmal belohnender, z.B. durch Lachen oder Anfassen) als die des eigenen Halters. Hier ist konsequentes Management und die Einweisung der Gäste der Schlüssel zum Erfolg.

Sabine Reincke
Sabine Reincke

Sabine Reincke: Eine umfassend erfahrene Expertin für alle Themen rund um den Hund. Mit über 15 Jahren praktischer Erfahrung, darunter 10 Jahre in der DRK Rettungshundestaffel und als Mantrailer, kombiniert Sabine tiefgreifendes Fachwissen in Hundeerziehung, -verhalten und Rassekunde mit unschätzbarer praktischer Erfahrung. Derzeit vertieft sie ihre Kenntnisse in einer Hundetrainer-Ausbildung und ergänzt dies durch diverse Fachseminare, auch im Bereich Hundegesundheit. Als ausgebildete Sanitäterin und durch ihre Präsenz in der Presse ist Sabine eine anerkannte Autorität, die vertrauenswürdige und fundierte Informationen zu allen Aspekten des Hundelebens bietet.

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