
Hund kastrieren: Kosten, Vor- & Nachteile und der „Chip“ als Test
Es ist eine der am heißesten diskutierten Fragen in einer Hundeschule: „Soll ich ihn kastrieren lassen, damit er ruhiger wird?“ Meine Antwort enttäuscht oft: „Wahrscheinlich nicht.“
Als Sanitäterin und Trainerin sehe ich die Kastration nicht als Standardprozedur, sondern als medizinische Einzelfallentscheidung. Ja, sie kann medizinisch notwendig sein (z.B. bei Hodenveränderungen oder Gebärmutterentzündungen). Aber sie ersetzt keine Erziehung. In diesem Artikel wägen wir ehrlich ab: Was bringt der Eingriff wirklich, was kostet er und wann sollten Sie es besser lassen?
📌 Das Wichtigste in Kürze (Fakten-Check)
- Definition: Bei der Kastration werden die Keimdrüsen (Hoden bzw. Eierstöcke) entfernt. Der Hund wird unfruchtbar und die Hormonproduktion stoppt.
- Unterschied Sterilisation: Hier werden nur die Leiter durchtrennt. Der Hund bleibt hormonell aktiv (Verhalten ändert sich nicht!).
- Kosten (GOT): Rüde ca. 200–400 €, Hündin ca. 400–800 € (plus Narkose/Nachsorge).
- Zeitpunkt: Nie vor der körperlichen und geistigen Reife (bei großen Hunden oft erst ab 18–24 Monaten).
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Mythos Erziehung: Wird der Hund wirklich ruhiger?
Viele Halter hoffen, dass Hunde ruhiger werden, sobald die Hormone weg sind. Das stimmt nur bedingt.
Was sich bessern kann (Sexuell motiviertes Verhalten):
- Streunen und Ausbüxen, wenn läufige Hündinnen in der Nähe sind.
- Exzessives Markieren im Haus.
- Futterverweigerung durch Liebeskummer.
- Aggression gegenüber gleichgeschlechtlichen Artgenossen (Konkurrenzkampf).
Was sich NICHT bessert (oder verschlimmert):
- Jagdtrieb und territoriales Bellen.
- Leinenaggression durch fehlende Erziehung.
- Angst-Aggression: Testosteron macht selbstbewusst. Fällt es weg, werden unsichere Hunde oft noch ängstlicher und schnappen schneller zu („Angstbeißer“).
Der Kastrations-Chip: Testlauf für Rüden
Bevor Sie Ihren Rüden operieren lassen, empfehle ich fast immer den „Suprelorin-Chip“. Dieser wird wie ein Mikrochip unter die Haut gesetzt und gibt einen Wirkstoff ab, der die Testosteronproduktion für 6 oder 12 Monate blockiert.
Der Vorteil: Sie können „auf Probe“ sehen, wie sich das Verhalten Ihres Hundes ändert. Wird er entspannter? Super. Wird er ängstlicher? Dann wissen Sie, dass eine operative Kastration der falsche Weg wäre. Der Chip löst sich von selbst auf oder verliert die Wirkung.

Gesundheit: Pro & Contra (Krebsrisiko)
Die medizinischen Auswirkungen sind komplex und hängen stark vom Zeitpunkt ab. Eine Frühkastration (vor der Pubertät) sehen Experten heute kritisch.
Vorteile (Pro)
- Rüde: Verhindert Hodenkrebs (siehe Hund Hoden schwarz / Veränderungen) und Prostata-Erkrankungen.
- Hündin: Verhindert Gebärmutterentzündungen (Pyometra), die oft lebensbedrohlich sind. Senkt das Risiko für Gesäugetumore, wenn früh kastriert wird. Verhindert die Scheinschwangerschaft (wenn die läufige Hündin jammert und Nestbau betreibt).
Nachteile (Contra)
- Inkontinenz: Besonders bei großen Hündinnen (z.B. Boxer, Dobermann) kann es Jahre später zur Harnträufeln kommen.
- Fellveränderung: Das sogenannte „Welpenfell“ (Wollhaar) kann bleiben oder wuchern (vor allem bei Spaniels/Settern).
- Gelenke & Krebs: Studien deuten darauf hin, dass Frühkastrationen das Risiko für Kreuzbandrisse und Knochenkrebs erhöhen können, da Hormone wichtig für das Knochenwachstum sind.
🐾 Aus meiner Praxis: Der unsichere „Kläffer“
Benji, ein junger Mischling, bellte alles an: Menschen, Mülltonnen, andere Hunde. Die Besitzer ließen ihn kastrieren, in der Hoffnung, er würde ruhiger. Das Gegenteil passierte. Benji war nicht dominant, sondern tief unsicher. Ohne das „Mutmacher-Hormon“ Testosteron verlor er seine letzte Sicherheit und ging aus Angst sofort nach vorne. Wir mussten monatelang Selbstbewusstsein trainieren, was mit Hormonen einfacher gewesen wäre. Mein Rat: Analysieren Sie erst das Verhalten, dann die Hormone!
Ablauf & Nachsorge: Was passiert am OP-Tag?
Der Eingriff erfolgt nüchtern (12 Stunden kein Futter). Beim Rüden ist es ein kleiner Schnitt vor dem Hodensack, bei der Hündin eine Bauch-OP (invasiver).
Die Nachsorge ist entscheidend:
- Leckschutz: Halskrause oder Body sind Pflicht für 10 Tage. Wenn der Hund an der Naht leckt, entzündet sie sich sofort.
- Schonung: Kein Springen, kein Toben, nur kurze Leinen-Spaziergänge, bis die Fäden gezogen sind.
- Schmerzmittel: Die ersten Tage sind schmerzhaft. Geben Sie die vom Tierarzt verordneten Medikamente (Infos zu Schmerzmitteln finden Sie in unserem Artikel zu Novalgin oder Gabapentin).

Häufige Fragen (FAQ)
Werden Hunde nach der Kastration dick?
Ja, das Risiko steigt. Der Stoffwechsel verlangsamt sich, während der Appetit oft gleich bleibt oder steigt. Sie müssen die Futtermenge nach der OP um ca. 20–30 % reduzieren und das Gewicht kontrollieren.
Was kostet eine Kastration beim Hund?
Nach der neuen Gebührenordnung (GOT) liegen die reinen OP-Kosten für Rüden zwischen 200–400 € und für Hündinnen zwischen 400–800 €. Hinzu kommen Narkose, Medikamente und Nachsorge, sodass die Gesamtsumme deutlich höher liegen kann.
Wann ist der beste Zeitpunkt für die Kastration?
Nicht zu früh! Der Hund sollte körperlich und geistig ausgewachsen sein. Bei kleinen Hunden ca. ab 1 Jahr, bei großen Rassen oft erst ab 1,5 bis 2 Jahren. Hündinnen sollten mindestens eine Läufigkeit durchlebt haben.
Quellenhinweis: Die medizinischen Informationen zur Gonadektomie (Kastration) basieren auf aktuellen Leitlinien der Kleintiermedizin und der Bundestierärztekammer (Gebührenordnung). Verhaltensbiologische Aspekte stützen sich auf Erkenntnisse moderner Kynologie.



