
Welpen erziehen: Der komplette Leitfaden für die ersten Monate
Wann fängt man an, einen Welpen zu erziehen? Tag 1 ist entscheidend!
Es hält sich hartnäckig das Gerücht, man solle einen Welpen erst einmal „Welpe sein lassen“ und mit der Erziehung erst mit 6 Monaten beginnen. Als Hundetrainerin sage ich Ihnen ganz direkt: Das ist einer der größten Fehler, den Sie machen können.
Die Erziehung beginnt in der Sekunde, in der Sie den Welpen vom Züchter oder aus dem Tierschutz abholen. Aber: Erziehung heißt nicht, dass der 9 Wochen alte Knirps perfekt „Bei Fuß“ laufen muss. Erziehung heißt, ihm die Spielregeln unserer Menschenwelt zu erklären – liebevoll, aber konsequent. In diesem Artikel zeige ich Ihnen den Fahrplan für die ersten Wochen.
📌 Das Wichtigste in Kürze (Fakten-Check)
- Startzeitpunkt: Sofort beim Einzug (meist 8. bis 10. Woche).
- Prägephase: Das Zeitfenster bis zur 16. Woche ist unwiederbringlich. Was der Hund hier positiv kennenlernt, speichert er fürs Leben.
- Priorität Nr. 1: Stubenreinheit, Beißhemmung und Ruhe lernen (nicht „Sitz“ oder „Platz“).
- Faustregel Training: Pro Lebenswoche maximal 1 Minute konzentriertes Training am Stück.
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Die 3 Phasen der frühen Erziehung
Ein Welpe ist wie ein Schwamm. Er lernt immer – auch wenn Sie gerade nicht aktiv „trainieren“. Wir unterteilen die erste Zeit in Stufen:
Phase 1: Ankommen & Vertrauen (8. – 10. Woche)
Hier geht es nur um Bindung und Sicherheit. Der Welpe lernt: „Bei meinem Menschen bin ich sicher.“ Er lernt seinen Namen und dass es sich lohnt, zu Ihnen zu kommen. Üben Sie bereits jetzt sanft, das Geschirr anzuziehen, ohne dass es Stress bedeutet.
Phase 2: Die Welt entdecken (10. – 16. Woche)
Jetzt startet die Sozialisierung. Der Welpe lernt verschiedene Untergründe, Geräusche (Staubsauger, Straßenverkehr) und andere Tiere kennen. Wichtig: Dosieren Sie die Reize! Ein unruhiger Hund ist oft ein überforderter Hund.
Phase 3: Grenzen testen (ab 16. Woche)
Der Zahnwechsel beginnt und die ersten Hormonschübe kommen. Jetzt müssen Regeln (z.B. „Nicht aufs Sofa“) konsequent durchgesetzt werden. Wer jetzt nachlässig ist, hat es in der Pubertät doppelt schwer.

Was der Welpe wirklich zuerst lernen muss
Vergessen Sie erst einmal die Tricks wie „Pfötchen geben“. Das Leben besteht aus wichtigeren Dingen:
- Stubenreinheit: Das A und O. Wenn der Welpe drinnen macht, obwohl er draußen war, liegt es oft daran, dass er draußen zu abgelenkt war.
- Beißhemmung: Welpen erkunden die Welt mit den Zähnen. Sie müssen lernen, dass Menschenhaut empfindlich ist. Wenn Ihr Welpe in die Leine beißt oder Ihre Hände attackiert, brechen Sie das Spiel sofort ab.
- Ruhe halten: Welpen haben keinen „Aus-Knopf“. Sie müssen lernen, zur Ruhe zu kommen, sonst züchten Sie sich einen Nervenbündel heran.
- Alleine bleiben: Beginnen Sie in Minutenschritten. Ein Hund, der nie gelernt hat, mal kurz allein zu sein, wird später massive Probleme machen.
Die häufigsten Fehler (und wie man sie vermeidet)
Der größte Fehler ist Überforderung. Ein Welpe muss nicht jeden Tag die Welt retten. Er muss schlafen – bis zu 20 Stunden am Tag! Wenn er nach dem Spaziergang „aufdreht“ und die „wilden 5 Minuten“ bekommt, ist er meist nicht unterfordert, sondern „drüber“ (überreizt).
Ein weiterer Fehler ist inkonsequentes Füttern. Ein fester Rhythmus hilft bei der Verdauung und der Stubenreinheit. Lesen Sie hierzu unseren Guide: Welpe: Wie oft Futter?.
🐾 Aus meiner Praxis: Max, der „Sitz-Weltmeister“
Ein Paar kam mit einem 12 Wochen alten Border Collie zu mir. Stolz zeigten sie, dass Max schon Sitz, Platz, Pfote und Rolle konnte. Das Problem: Max biss den Besitzern blutige Hände, pinkelte vor Aufregung ständig in die Wohnung und kam nie zur Ruhe. Die Besitzer hatten *Ausbildung* (Tricks) mit *Erziehung* (Lebenskompetenz) verwechselt. Wir strichen alle Kommandos und übten 4 Wochen lang nur eines: Auf einer Decke liegen und entspannen. Heute ist Max ein ausgeglichener Familienhund.

Sozialisierung: Mehr als nur Spielen
Viele Halter denken, Sozialisierung heißt, den Welpen mit jedem anderen Hund im Park spielen zu lassen. Falsch! Das lehrt ihn nur, dass andere Hunde wichtiger sind als Sie.
Gute Sozialisierung bedeutet: Der Welpe lernt, Umweltreize (Autos, Jogger, andere Hunde, Treppen) wahrzunehmen, dabei aber entspannt und bei Ihnen zu bleiben. Er soll lernen: „Die Welt ist bunt, aber mein Mensch ist mein sicherer Hafen.“
Häufige Fragen (FAQ)
Darf ich „Nein“ sagen, wenn der Welpe etwas Falsches tut?
Ja, unbedingt. Ein ruhiges, aber bestimmtes „Nein“ oder „Lass das“ ist wichtig. Brechen Sie das Verhalten ab und bieten Sie sofort eine erlaubte Alternative an (z.B. Kauspielzeug statt Stuhlbein).
Ab wann sollte ich in die Hundeschule gehen?
Eine gute Welpenschule können Sie ab der 9./10. Woche besuchen (nach der ersten Impfung). Achten Sie darauf, dass dort nicht nur wild getobt wird, sondern Ruheübungen und Alltagstraining im Fokus stehen.
Mein Welpe folgt mir auf Schritt und Tritt – ist das gut?
Anfangs ist dieser Folgetrieb natürlich. Aber üben Sie frühzeitig kleine Distanzen (z.B. Tür zum Bad kurz schließen), damit der Welpe keine Trennungsangst entwickelt (Kontrollverlust).
Quellenhinweis: Die Empfehlungen zur Welpenentwicklung basieren auf verhaltensbiologischen Erkenntnissen (Prägephasen). Für professionelle Unterstützung bei der Erziehung empfehlen wir zertifizierte Trainer aus dem Berufsverband der Hundeerzieher/innen und Verhaltensberater e.V. (BHV).



