Ein junger Golden Retriever Welpe lernt an der Leine langsam und kontrolliert das Treppensteigen.

Ab wann dürfen Welpen Treppen laufen? Ein Expertenratgeber

Die Frage, ab wann ein Welpe Treppen laufen darf, beschäftigt fast jeden neuen Hundebesitzer – und das zurecht. Als Hundetrainerin und langjährige Führerin von Rettungshunden weiß ich aus Erfahrung: Ein zu früher Start kann die Gelenkgesundheit eines Hundelebens beeinträchtigen. Doch keine Sorge, mit dem richtigen Wissen schützen Sie Ihren kleinen Vierbeiner optimal.

Besitzer trägt einen kleinen Welpen sicher eine Treppe hinauf, um die Gelenke in der Wachstumsphase zu schonen.
In den ersten Monaten ist Tragen die sicherste Methode, um die Gelenke Ihres Welpen zu schützen.

Warum Warten so wichtig ist: Ein Blick auf die Anatomie des Welpen

In den ersten Lebensmonaten befindet sich der Körper Ihres Welpen in einer entscheidenden Wachstumsphase. Die Knochen, Gelenke und die stützende Muskulatur sind noch nicht vollständig entwickelt. Besonders kritisch sind die sogenannten Wachstumsfugen (Epiphysenfugen) an den Enden der Röhrenknochen. Diese Knorpelschichten sind weich und anfällig für Verletzungen. Eine wissenschaftliche Übersichtsarbeit der Veterinärmedizinischen Universität Wien bestätigt: Regelmäßiges Treppensteigen vor dem dritten Lebensmonat ist ein signifikanter Risikofaktor für die Entwicklung einer Hüftgelenksdysplasie (HD).

Als klare Faustregel für die sensible Wachstumsphase gilt daher:

  • Bis zur 16. Lebenswoche (ca. 4 Monate): Welpen sollten Treppen konsequent hoch- und heruntergetragen werden. Dies gilt für alle Rassen.
  • Ab dem 4. bis 6. Monat: Nach Rücksprache mit dem Tierarzt können Sie mit einem kontrollierten und langsamen Training von wenigen Stufen beginnen.
  • Große und Riesenrassen: Bei Rassen wie Doggen, Neufundländern oder Bernhardinern ist besondere Vorsicht geboten. Hier sollte das Training oft erst beginnen, wenn der Hund nahezu ausgewachsen ist (ca. 10-12 Monate).

Die größten Risiken: Was passiert, wenn Welpen zu früh Treppen steigen?

  • Überlastung der Gelenke: Die wiederholte Stoßbelastung, vor allem beim Abwärtsgehen, kann zu Mikroverletzungen in den Wachstumsfugen führen und das Risiko für HD und Ellenbogendysplasie (ED) erhöhen, insbesondere bei genetischer Veranlagung.
  • Schädigung der Wirbelsäule: Besonders Rassen mit langem Rücken (z.B. Dackel, Basset) sind gefährdet, da die unnatürliche Bewegung die noch instabile Wirbelsäule stark belastet.
  • Sturz- und Verletzungsgefahr: Die Koordination und Tiefenwahrnehmung eines Welpen sind noch nicht ausgereift. Ein Sturz auf der Treppe kann nicht nur zu akuten Verletzungen führen, sondern auch eine lebenslange Angst vor Treppen auslösen.
  • Entwicklung falscher Bewegungsmuster: Wenn der Welpe versucht, die unnatürliche Belastung durch Ausweichbewegungen zu kompensieren, können sich schädliche Bewegungsmuster verfestigen, die später zu chronischen Problemen führen.

Welpen sicher an Treppen gewöhnen: Eine Schritt-für-Schritt-Anleitung

Sobald Ihr Tierarzt grünes Licht für das Training gegeben hat, ist eine behutsame und positive Herangehensweise der Schlüssel zum Erfolg. Erzwingen Sie niemals etwas! Das Ziel ist, dass Ihr Hund Treppen als alltägliches, sicheres Hindernis kennenlernt.

  1. Vorbereitung: Legen Sie Ihrem Welpen ein gut sitzendes Geschirr an und verwenden Sie eine kurze Leine. So haben Sie jederzeit die Kontrolle und können ihn sichern. Halten Sie besonders leckere Leckerlis bereit.
  2. Die erste Stufe: Beginnen Sie mit einer einzigen, flachen Stufe. Locken Sie Ihren Welpen mit einem Leckerli, sodass er eine Pfote auf die Stufe setzt. Belohnen und loben Sie ihn sofort ausgiebig. Üben Sie dies zunächst nur aufwärts.
  3. Langsame Steigerung: Wenn die erste Stufe sicher gemeistert wird, erweitern Sie auf zwei, dann drei Stufen. Trainieren Sie immer zuerst das Aufwärtsgehen, da es die Gelenke weniger belastet.
  4. Kontrolliertes Absteigen: Das Abwärtsgehen ist motorisch anspruchsvoller. Führen Sie Ihren Hund extrem langsam an der Leine nach unten, sodass er jede Stufe einzeln nimmt und nicht springt.
  5. Kurz halten: Halten Sie die Trainingseinheiten sehr kurz – ein bis zwei Wiederholungen pro Tag genügen anfangs völlig. Es geht um die Qualität der Bewegung, nicht um die Menge.
Ein junger Golden Retriever Welpe lernt an der Leine langsam und kontrolliert das Treppensteigen.
Geduldiges und kontrolliertes Üben an der Leine gibt Ihrem Hund Sicherheit beim Treppenlaufen.

Rassespezifische Besonderheiten: Was Sie wissen müssen

Kurzbeinige Rassen mit langem Rücken

Für Rassen wie Dackel, Basset Hounds oder Corgis stellt jede Treppe eine erhebliche Belastung für die Wirbelsäule dar. Das Risiko für Bandscheibenvorfälle (Dackellähme) ist bei ihnen genetisch bedingt höher. Meine klare Empfehlung: Minimieren Sie das Treppensteigen ein Leben lang und nutzen Sie, wo immer möglich, Rampen oder tragen Sie Ihren Hund.

Große und schwere Rassen

Labrador, Golden Retriever, Schäferhund oder Berner Sennenhund wachsen verhältnismäßig langsam und sind anfälliger für Gelenkprobleme. Ihre Gelenke stabilisieren sich erst spät. Planen Sie hier eine längere Phase des Tragens ein, oft bis zum 10. oder sogar 12. Lebensmonat.

Senioren und Hunde mit Vorerkrankungen

Auch wenn es hier nicht um Welpen geht: Bei älteren Hunden mit Arthrose, Spondylose oder nach Operationen kann Treppensteigen schmerzhaft sein. Schonen Sie Ihren Senior und investieren Sie in eine Hunderampe, um seine Lebensqualität deutlich zu verbessern.

Fazit: Geduld schützt Gelenke

Das Thema Treppenlaufen beim Welpen lässt sich einfach zusammenfassen: Weniger ist mehr. Indem Sie Ihren Welpen in den ersten Monaten konsequent tragen und ihn später geduldig und kontrolliert anleiten, legen Sie den Grundstein für gesunde Gelenke und ein langes, schmerzfreies Hundeleben. Ihre Mühe in der Anfangszeit ist eine der besten Investitionen in die Zukunft Ihres Vierbeiners.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Ab welchem Alter darf mein Welpe Treppen laufen?

Frühestens ab der 16. Woche (ca. 4 Monate) und nur nach tierärztlicher Freigabe. Beginnen Sie mit nur einer Stufe und steigern Sie das Training extrem langsam. Große Rassen sollten oft noch länger warten.

Was ist für den Welpen belastender: Treppe rauf oder runter?

Das Hinunterlaufen ist deutlich belastender. Dabei wirken hohe Stoßkräfte auf die Vorderhand, insbesondere auf Ellbogen- und Schultergelenke. Führen Sie Ihren Hund beim Abwärtsgehen daher immer besonders langsam und kontrolliert.

Mein Welpe ist sehr klein – muss ich ihn trotzdem tragen?

Ja, unbedingt. Die Gelenkentwicklung ist bei kleinen Rassen genauso sensibel wie bei großen. Auch wenn das Tragen einfacher ist, sind die physiologischen Risiken dieselben. Das Gewicht des Hundes ist nicht der alleinige Faktor, sondern die unnatürliche Belastung für die unreifen Gelenke.

Soll ich meinen Dackel jemals Treppen laufen lassen?

Im Idealfall so selten wie möglich. Aufgrund des langen Rückens und der kurzen Beine sind Dackel und ähnliche Rassen extrem anfällig für Bandscheibenprobleme. Jede Treppe stellt ein Risiko dar. Das Tragen oder die Nutzung einer Rampe ist immer die sicherere Option.

Sabine Reincke
Sabine Reincke

Sabine Reincke: Eine umfassend erfahrene Expertin für alle Themen rund um den Hund. Mit über 15 Jahren praktischer Erfahrung, darunter 10 Jahre in der DRK Rettungshundestaffel und als Mantrailer, kombiniert Sabine tiefgreifendes Fachwissen in Hundeerziehung, -verhalten und Rassekunde mit unschätzbarer praktischer Erfahrung. Derzeit vertieft sie ihre Kenntnisse in einer Hundetrainer-Ausbildung und ergänzt dies durch diverse Fachseminare, auch im Bereich Hundegesundheit. Als ausgebildete Sanitäterin und durch ihre Präsenz in der Presse ist Sabine eine anerkannte Autorität, die vertrauenswürdige und fundierte Informationen zu allen Aspekten des Hundelebens bietet.

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