
Hund kratzt sich ständig: Ursachen, Soforthilfe & Diagnose (Expertenguide)
Es ist dieses Geräusch in der Nacht, das uns Hundehalter sofort hellwach werden lässt: das rhythmische Schlagen der Pfote gegen den Boden, das hektische Knabbern am Fell. Wenn Ihr Hund sich ständig kratzt, leidet er – und Sie leiden mit. Aus meiner über 15-jährigen Erfahrung, unter anderem als Sanitäterin und in der Arbeit mit Rettungshunden, weiß ich: Juckreiz (Pruritus) ist für einen Hund oft schlimmer als akuter Schmerz.
Das Kratzen ist ein Alarmsignal. Es kann „nur“ ein Flohstich sein, aber auch auf komplexe Stoffwechselerkrankungen oder massive Allergien hindeuten. In diesem Artikel analysieren wir die Symptome chirurgisch präzise und ich zeige Ihnen, wann Hausmittel reichen und wann wir sofort zum Tierarzt müssen.
- Definition: Pruritus (Juckreiz) ist eine Missempfindung der Haut, die mechanische Abwehrreaktionen (Kratzen, Lecken, Beißen) auslöst.
- Hauptursachen: Ektoparasiten (Flöhe, Milben), Umweltallergien (Atopie), Futtermittelunverträglichkeiten oder Sekundärinfektionen (Hefepilze/Bakterien).
- Juckreiz-Skala: Kratzen, das den Schlaf oder das Spiel unterbricht, erfordert veterinärmedizinische Diagnostik.
- Sofortmaßnahme: Parasitenkontrolle (Flohkamm) und Ausschlussdiät sind die ersten diagnostischen Schritte.
Inhaltsverzeichnis (Klicken zum Öffnen)
Ursache 1: Parasiten (Die häufigste Diagnose)
Bevor wir an komplexe Allergien denken, müssen wir die „üblichen Verdächtigen“ ausschließen. Ektoparasiten sind der statistisch häufigste Auslöser für plötzlichen Juckreiz.

Flöhe und Flohspeichelallergie
Der Klassiker. Flöhe beißen und saugen Blut. Bei vielen Hunden reicht der Biss für leichten Juckreiz. Reagiert Ihr Hund jedoch allergisch auf den Flohspeichel (FAD), führt bereits ein einziger Biss zu massivem Kratzen, oft am Rutenansatz und Rücken.
Milben (Sarkoptes, Demodex, Grasmilben)
Milben graben sich oft mikroskopisch klein in die Hautschichten. Der Juckreiz ist hierbei oft extrem (Skala 9/10). Wenn Ihr Hund sich besonders an den Ohren, Ellenbogen oder im Gesicht kratzt, müssen wir an Räude oder Herbstgrasmilben denken.
Vertiefung: Wie Sie einen Milbenbefall sicher erkennen und behandeln, erkläre ich detailliert in meinem Ratgeber über Milben beim Hund.

Ursache 2: Allergien & Umweltreize
Wenn Parasiten ausgeschlossen sind, rückt das Immunsystem in den Fokus. Allergien sind eine Überreaktion des Körpers auf harmlose Stoffe.
- Umweltallergie (Atopie): Pollen, Hausstaubmilben oder Schimmelpilze. Symptome treten oft saisonal auf. Betroffen sind meist Pfoten, Bauch und Gesicht.
- Futtermittelallergie: Reaktion auf Proteinquellen (oft Rind, Huhn, Weizen). Der Juckreiz ist hier oft ganzjährig und kann von Magen-Darm-Problemen begleitet sein.
- Kontaktallergie: Reaktion auf Putzmittel, Hundeshampoo oder Materialien im Hundebett.
Experten-Tipp zur Linderung: Viele Tierärzte setzen bei akuten Allergieschüben Antihistaminika ein. [cite_start]Lesen Sie hierzu meinen Artikel über Cetirizin für Hunde , um Risiken und Dosierungen zu verstehen.
Ursache 3: Infektionen der Haut
Durch das ständige Kratzen wird die Hautbarriere zerstört. Bakterien und Pilze, die natürlich auf der Haut leben, dringen ein und vermehren sich explosionsartig. Dies nennt man Sekundärinfektion.
Malassezien (Hefepilze)
Ein typisches Anzeichen ist ein ranziger, süßlicher Geruch und eine fettige Haut. Besonders betroffen sind Pfoten, Ohren und Hautfalten. Der Juckreiz durch Malassezien ist extrem quälend.
Wichtig: Wenn Ihr Hund sich intensiv die Pfoten leckt und diese rötlich verfärbt sind, prüfen Sie bitte meinen Artikel zu Hefepilzen an den Hundepfoten.
Wann zum Tierarzt? (Red Flags)
Hausmittel haben ihre Grenzen. Als Sanitäterin arbeite ich nach klaren Protokollen. Suchen Sie einen Tierarzt auf, wenn:
- Darauf besonders achten:
- Der Juckreiz den Hund vom Schlafen oder Fressen abhält.
- Offene Wunden, „Hot Spots“ (nässende Ekzeme) oder Haarausfall sichtbar sind.
- Der Hund sich blutig kratzt oder beißt.
- Begleitsymptome auftreten: Fieber, Lethargie oder unangenehmer Geruch (siehe auch: Hund riecht nach Fisch/Analdrüsenprobleme ).
Erste Hilfe & Linderung
Bis zum Tierarzttermin können Sie folgende Maßnahmen ergreifen, um dem Hund Linderung zu verschaffen:
- Kühles Abduschen: Entfernt Allergene von der Haut und kühlt.
- Schutzkragen/Body: Verhindert, dass der Hund sich weitere Wunden zufügt (Wichtig!).
- Hypoallergenes Futter: Starten Sie (in Absprache mit dem Tierarzt) eine Ausschlussdiät, wenn Futter als Auslöser vermutet wird.
Hinweis: Dieser Artikel dient der Information und ersetzt keinen Besuch beim Tierarzt. Bei akuten Symptomen, blutigen Stellen oder starkem Leiden konsultiere bitte sofort einen Fachmann.
Häufige Fragen zu Juckreiz beim Hund
Ja, sogenanntes „psychogenes Lecken“ oder Kratzen kann eine Übersprungshandlung bei Stress oder Unterforderung sein. Es ist wichtig, organische Ursachen vorher tierärztlich auszuschließen.
Verdünnter Apfelessig (1:10 mit Wasser) kann bei leichten Hautreizungen oder Hefepilzen lindernd wirken und den pH-Wert der Haut stabilisieren. Auf offenen Wunden brennt er jedoch und darf nicht angewendet werden.
Nachts fehlen Ablenkungen, wodurch der Juckreiz stärker wahrgenommen wird. Zudem sind Wärme (im Bett) oder Hausstaubmilben im Schlafbereich mögliche Auslöser.



