
Hund schleicht sich geduckt an: Spiel, Jagd oder Angriff?
Sie sind beim Spaziergang, ein anderer Hund taucht auf, und Ihr Vierbeiner wird plötzlich ganz flach. Er bewegt sich wie eine Raubkatze in Zeitlupe vorwärts, den Blick starr geradeaus gerichtet. Viele Halter finden das lustig („Er macht sich unsichtbar!“).
Als Hundetrainerin muss ich Sie warnen: Dieses Verhalten ist selten freundlich. Es ist Lauern. Ob aus Jagdtrieb (Hüten) oder Unsicherheit („Ich mach dich fertig, bevor du mich siehst“) – das Ergebnis ist oft eine Explosion an der Leine. In diesem Artikel lernen Sie, die Körpersprache richtig zu lesen und den „Blick-Magneten“ rechtzeitig zu lösen.
📌 Was bedeutet das Schleichen? (Checkliste)
- Der Jäger: Rute ruhig/tief, Körper angespannt, Augen starr fixiert. Er behandelt den entgegenkommenden Hund (oder Jogger) wie Beute.
- Der Unsichere: Ohren angelegt, Rute klemmt, Gewicht nach hinten verlagert. Er macht sich klein, um Konflikte zu vermeiden („Bitte tu mir nichts“).
- Das Problem: Beide Varianten führen oft zu Leinenaggression, sobald die Distanz unterschritten wird.
- Lösung: Blickkontakt unterbrechen und Bogen laufen!
Dieses Verhalten tritt oft in der „Fremdelphase“ auf. Lesen Sie dazu: Hund in der Pubertät: Wenn Mülltonnen gruselig werden.
Inhaltsverzeichnis ausklappen
Körpersprache lesen: Jagd vs. Angst
Um richtig zu reagieren, müssen Sie den Rest des Körpers anschauen. Das Schleichen allein reicht nicht.
Szenario A: Jagdverhalten / Pöbeln
Der Hund macht sich flach, aber die Muskeln sind gespannt wie Stahlseile. Die Ohren sind nach vorne gerichtet.
Die Botschaft: „Ich fixiere mein Ziel. Ich warte auf den perfekten Moment zum Sprung.“
Typisch für: Terrier, Jagdhunde und Hunde, die gelernt haben, dass Angriff die beste Verteidigung ist.
Szenario B: Unsicherheit / Deeskalation
Der Hund macht sich klein, die Bewegungen sind weich oder zögerlich. Er leckt sich vielleicht über die Schnauze (Stress).
Die Botschaft: „Ich bin ganz klein und harmlos. Bitte geh weg.“
Das Risiko: Wenn der andere Hund trotzdem frontal auf ihn zukommt, kippt die Angst oft in Panik oder Schnappen um („Angstbeißer“).

Sonderfall: Der „Border-Collie-Stare“
Bei Hütehunden (Border Collies, Aussies) ist das geduckte Anschleichen oft genetisch verankert. Man nennt es „Giving Eye“. Sie kontrollieren Bewegungen durch Starren und Schleichen.
Das Problem: Was am Schaf nützlich ist, wirkt auf andere Hunde extrem unhöflich und bedrohlich. Ein starrer Blick ist in der Hundesprache eine Provokation. Lassen Sie Ihren Hütehund das im Alltag nicht ausleben!
So stoppen Sie das Lauern (3 Schritte)
Das Ziel ist, den Hund aus dem „Tunnelblick“ zu holen, bevor er sich festfriert.
- Früh erkennen: Sobald der Kopf tiefer geht und der Schritt langsamer wird -> Handeln! Warten Sie nicht, bis er liegt.
- Umlenken: Wechseln Sie die Richtung („U-Turn“) oder laufen Sie einen Bogen. Durchbrechen Sie die Sichtlinie (stellen Sie sich vor Ihren Hund oder gehen Sie hinter ein Auto).
- Dynamik: Werden Sie schneller! Ein zügiger Schritt signalisiert: „Wir haben Wichtigeres zu tun, wir gehen weiter.“ Bleiben Sie nicht stehen und starren Sie nicht mit dem Hund gemeinsam auf das „Objekt“.
🐾 Aus meiner Praxis: Die „falsche“ Spielaufforderung
Luna, eine junge Hündin, warf sich bei jeder Begegnung flach auf den Boden. Die Besitzer sagten: „Sie wartet auf den anderen zum Spielen.“ Aber sobald der andere Hund nah genug war, sprang Luna auf und biss ihn weg.
Was war passiert? Luna lauerte. Das Liegen war keine Entspannung, sondern eine Falle („Lauern – Hetzen – Packen“). Wir trainierten, dass Luna bei Sichtung anderer Hunde Sitz macht und mich anschaut („Click für Blick“), statt sich hinzulegen. Das Liegen verboten wir konsequent, weil es der Startknopf für ihre Aggression war.
Was Sie NIEMALS tun sollten
- „Hallo sagen“ lassen: Wenn Ihr Hund schleicht, ist er nicht in der Stimmung für höflichen Kontakt. Gehen Sie nicht hin!
- Leinenruck: Wenn Sie rucken, während er fixiert, verknüpft er den Schmerz mit dem anderen Hund („Der ist schuld, dass es weh tut“). Das verstärkt die Aggression.
- Streicheln zur Beruhigung: Wenn Sie einen lauernden Hund streicheln, loben Sie ihn für seine Anspannung.

Häufige Fragen (FAQ)
Ist das die „Vorderkörper-Tiefstellung“ (Spiel)?
Nein. Bei der Spielaufforderung („Play Bow“) ist der Po oben, die Rute wedelt locker und die Bewegungen sind hüpfend/albern. Beim Schleichen ist der ganze Körper flach und starr. Verwechseln Sie das nicht!
Mein Hund legt sich hin und lässt sich nicht weiterziehen. Was tun?
Werden Sie nicht zum „Anker“. Gehen Sie auf den Hund zu (in seinen Raum), um ihn körpersprachlich zum Aufstehen zu bewegen, oder werfen Sie Leckerlis in die entgegengesetzte Richtung („Such!“), um die Fixierung zu lösen.
Machen das nur Jagdhunde?
Nein, fast alle Hunde zeigen Sequenzen des Jagdverhaltens. Auch ein Golden Retriever kann lauern, wenn er gelernt hat, dass es zum Erfolg führt.
Quellenhinweis: Die Interpretation von Körpersprache basiert auf ethologischen Grundlagen der Kynologie (u.a. Dr. Dorit Feddersen-Petersen).



