Ein kleiner Welpe schläft tief und entspannt in seinem weichen Körbchen, im Hintergrund sieht man unscharf eine offene Zimmertür

Welpen alleine lassen: Der sanfte Trainingsplan (Minuten statt Stunden)

⚠️ Wichtiger Hinweis: Echte Trennungsangst ist eine ernstzunehmende Verhaltensstörung. Wenn Ihr Hund in Ihrer Abwesenheit panisch wird, sich selbst verletzt oder stundenlang bellt, brechen Sie das Training ab und konsultieren Sie einen spezialisierten Verhaltenstherapeuten.

Hallo, ich bin Sabine Reincke. „Wie lange kann ich ihn schon alleine lassen?“ – diese Frage höre ich oft, meist mit einem besorgten Blick auf den Kalender, weil der Urlaub endet oder das Homeoffice vorbei ist. Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Ein Welpe ist ein Rudeltier. Für ihn ist das Alleinsein wider die Natur. In der Wildnis würde ein verlassener Welpe sterben.

Aber wir leben in der modernen Welt, und da muss der Hund auch mal warten können, während Sie einkaufen oder zum Arzt gehen. Die gute Nachricht: Alleinsein kann man lernen. Die schlechte: Es gibt keine Abkürzung. Wer zu früh zu viel will, riskiert Trennungsangst. In diesem Artikel zeige ich Ihnen meinen „Minuten-Plan“, mit dem Sie Vertrauen aufbauen, statt es zu zerstören.

⚡ Das Wichtigste in Kürze

  • Der Zeitfaktor: Beginnen Sie nicht mit Stunden, sondern mit Sekunden. Ein Gang zum Briefkasten ist das erste Training.
  • Kein Abschieds-Drama: Machen Sie kein großes Theater, wenn Sie gehen oder kommen. Es muss das Normalste der Welt sein.
  • Auslastung: Ein müder (aber nicht überdrehter) Welpe entspannt leichter als ein gelangweilter.
  • Kontext: Mehr Erziehungstipps finden Sie in unserem großen Welpen-Guide.
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🐾 Aus meiner Praxis

Ich hatte einmal einen Fall, da hat ein junger Labrador die komplette Haustür-Innenverkleidung zerfetzt. Die Besitzer hatten ihn „nur mal kurz“ für 30 Minuten zum Einkaufen allein gelassen – an Tag 3 nach dem Einzug. Der Hund hatte Todesangst. Wir mussten das Training ganz von vorne beginnen, diesmal im Sekunden-Takt: Tür auf, Tür zu. Jacke an, Jacke aus. Es hat 4 Monate gedauert, bis er wieder entspannt war. Bitte: Testen Sie die Grenzen Ihres Welpen nicht aus. Bauen Sie Sicherheit auf!

1. Warum Welpen nicht gern alleine sind

Hunde sind hochsoziale Lebewesen. Kontaktliegen und die Nähe zur Gruppe bedeuten Sicherheit. Wenn Sie den Raum verlassen, fragt sich der Welpe nicht „Wann kommt sie wieder?“, sondern instinktiv „Überlebe ich das?“.

Deshalb ist Vertrauen die Basis. Der Welpe muss lernen: Meine Menschen gehen, aber sie kommen immer wieder. Und hier auf meiner Decke ist es sicher.

2. Die Vorbereitung: Der sichere Hafen

Bevor Sie die Wohnung verlassen, muss der Welpe einen Ort haben, an dem er sich wohlfühlt. Das kann eine offene Box, ein Körbchen oder eine Decke sein. Trainieren Sie das „Deckentraining“ positiv mit Kauartikeln, wenn Sie noch im Raum sind.

👉 Tipp: Ein getragenes T-Shirt von Ihnen im Körbchen kann Wunder wirken. Der vertraute Geruch beruhigt.

3. Der 4-Stufen-Plan (Training)

Gehen Sie erst zur nächsten Stufe, wenn die aktuelle völlig entspannt klappt.

Stufe 1: Die „Tür-Spiele“ (Drinnen)

Gehen Sie im Alltag einfach mal kurz aus dem Zimmer und schließen Sie die Tür hinter sich. Warten Sie 5 Sekunden. Kommen Sie wieder rein. Ignorieren Sie den Hund (kein „Hallo, da bin ich wieder!“). Machen Sie das 20-mal am Tag. Es muss langweilig werden.

Stufe 2: Die Schlüssel-Reize

Hunde sind schlau. Sie wissen: „Schlüssel klappert + Jacke anziehen = Ich werde verlassen.“ Entkoppeln Sie diese Reize. Ziehen Sie die Jacke an, setzen Sie sich aufs Sofa und lesen Sie Zeitung. Nehmen Sie den Schlüssel, legen Sie ihn wieder weg. Der Hund lernt: Diese Geräusche haben keine Bedeutung.

Vektor-Zeitstrahl für das Alleinbleiben: Woche 1 (Tür zu/auf), Woche 2 (Müll rausbringen - 2 Min), Woche 4 (Kurzer Einkauf - 15 Min)
Jeder Hund ist anders: Dieser Zeitplan ist nur eine Orientierung. Ihr Welpe bestimmt das Tempo.

Stufe 3: Müll rausbringen (Minuten)

Jetzt verlassen Sie wirklich das Haus. Aber nur für 2-3 Minuten. Gehen Sie zum Briefkasten. Bleiben Sie vor der Tür stehen. Lauschen Sie. Ist es ruhig? Gehen Sie wieder rein. Begrüßen Sie den Hund ruhig, aber nicht überschwänglich.

Stufe 4: Zeit steigern

Dehnen Sie die Zeit langsam aus. 5 Minuten, 10 Minuten, 20 Minuten. Nutzen Sie Technik: Eine Webcam oder ein altes Handy mit Babyphone-App (z.B. „Dog Monitor“) gibt Ihnen Sicherheit. Wenn Sie sehen, dass der Hund unruhig wird, kommen Sie zurück (aber warten Sie vor der Tür einen ruhigen Moment ab, damit er nicht lernt: Bellen = Tür geht auf).

4. Rückschritte & Fehler vermeiden

Wenn Ihr Hund jault oder Dinge zerstört, ist das kein „Protest“ oder Rache. Es ist Stress. Bestrafen Sie ihn niemals dafür, wenn Sie nach Hause kommen! Er kann die Strafe nicht mit der Handlung vor 30 Minuten verknüpfen.

Machen Sie einen Schritt zurück im Training. War der Hund vorher ausreichend ausgelastet? Musste er vielleicht mal raus?

Nahaufnahme eines Smartphones in einer Hand, auf dem Display sieht man das Live-Video einer Überwachungskamera, die einen schlafenden Hund zeigt
Vertrauen ist gut, Kontrolle beruhigt: Mit einer App sehen Sie, ob Ihr Training fruchtet.

Häufige Fragen zum Alleinbleiben

Soll ich das Radio anlassen?

Das kann helfen! Leise Musik oder ein Hörbuch (Stimmen) können beruhigend wirken und Geräusche von draußen (Treppenhaus) überdecken.

Wie lange kann ein Welpe maximal allein bleiben?

Bis zum 4. Monat sollten Welpen gar nicht länger als wenige Minuten allein sein. Bis zum 6. Monat sind 1-2 Stunden das Maximum – schon allein wegen der Blase.

Hilft ein zweiter Hund?

Nicht unbedingt. Trennungsangst bezieht sich meist auf die Bezugsperson. Es kann sogar passieren, dass sich der zweite Hund vom Stress anstecken lässt.

Quellenhinweis: Erkenntnisse zur Trennungsangst basieren auf verhaltensbiologischen Studien und Empfehlungen der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz (TVT).

Sabine Reincke
Sabine Reincke

Sabine Reincke: Eine umfassend erfahrene Expertin für alle Themen rund um den Hund. Mit über 15 Jahren praktischer Erfahrung, darunter 10 Jahre in der DRK Rettungshundestaffel und als Mantrailer, kombiniert Sabine tiefgreifendes Fachwissen in Hundeerziehung, -verhalten und Rassekunde mit unschätzbarer praktischer Erfahrung. Derzeit vertieft sie ihre Kenntnisse in einer Hundetrainer-Ausbildung und ergänzt dies durch diverse Fachseminare, auch im Bereich Hundegesundheit. Als ausgebildete Sanitäterin und durch ihre Präsenz in der Presse ist Sabine eine anerkannte Autorität, die vertrauenswürdige und fundierte Informationen zu allen Aspekten des Hundelebens bietet.

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