
Mantrailing vs. Fährtenarbeit: Der große Vergleich für Hundeteams
„Mein Hund schnüffelt immer am Boden – ist er ein Mantrailer?“ Diese Frage höre ich oft. Die Antwort ist meistens: Nein. Er ist wahrscheinlich ein Fährtenhund. Der Unterschied zwischen Mantrailing und Fährtenarbeit ist wie der Unterschied zwischen Jazz und Klassik. Beides ist Musik (Nasenarbeit), aber die Regeln sind völlig anders. Als Ausbilderin zeige ich dir hier die entscheidenden Unterschiede in der Arbeitsweise, der Biologie des Geruchs und der Ausrüstung.
📌 Die Unterschiede auf einen Blick
- ✅ Mantrailing: Der Hund sucht den Individualgeruch (Hautpartikel/Gase) einer spezifischen Person. Er darf die Spur verlassen (Casting) und arbeitet oft mit hoher Nase.
- ✅ Fährtenarbeit (Tracking): Der Hund sucht die Bodenverletzung (zertretenes Gras/Erde). Er muss spurtreu („wie auf Schienen“) mit tiefer Nase arbeiten.
- ✅ Umgebung: Mantrailing funktioniert auch auf Asphalt und in der Stadt. Fährtenarbeit findet meist auf Acker oder Wiese statt.
📚 Der Kontext: Dieser Artikel ist Teil der Serie „Mantrailing verstehen“. Zurück zur Übersicht
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Die Biologie: Individualgeruch vs. Bodenverletzung
Um zu verstehen, warum die Hunde so unterschiedlich arbeiten, müssen wir uns anschauen, was sie eigentlich riechen.
Der Fährtenhund (Tracking)
Bei der klassischen Fährtenarbeit (z.B. im IGP-Sport) orientiert sich der Hund an der mechanischen Bodenverletzung. Wenn ein Mensch über eine Wiese geht, knickt er Grashalme und verdichtet die Erde. Dabei treten Pflanzensäfte aus und Mikroorganismen im Boden werden aktiviert. Dieser Gärungsprozess erzeugt einen spezifischen Geruch, der exakt dort liegt, wo der Fuß aufgetreten ist.
Der Mantrailer
Der Mantrailer ignoriert die geknickten Grashalme weitgehend. Er sucht nach menschlichen Zellen. Wir verlieren ca. 40.000 Hautschuppen pro Minute. Diese bilden eine „Wolke“, die von Bakterien zersetzt wird. Diese Wolke ist leicht und wird vom Wind verweht. Deshalb liegt die Spur für den Mantrailer oft meterweit neben dem eigentlichen Weg.

Arbeitsweise: High Nose vs. Deep Nose
Aus der unterschiedlichen Geruchsquelle ergibt sich die Körpersprache des Hundes. Das ist für dich als Halter wichtig zu erkennen:
- Deep Nose (Tiefe Nase): Der Fährtenhund arbeitet mit der Nase tief am Boden, oft zwischen den Vorderpfoten. Er scannt den Boden Zentimeter für Zentimeter ab.
- High Nose (Hohe Nase): Der Mantrailer hebt oft den Kopf (Head Pop), um Geruchspartikel aus der Luft zu „schöpfen“. Er darf im Galopp arbeiten und Kreuzungen weiträumig prüfen (Casting), um die abgedriftete Wolke wiederzufinden.
Für den Mantrailer benötigen wir daher zwingend einen Geruchsartikel, um ihm zu sagen, welche Hautschuppen er aus den tausenden anderen herausfiltern soll (Geruchsdifferenzierung).
Vergleichstabelle: Mantrailing vs. Fährte
| Merkmal | Fährtenarbeit (Tracking) | Mantrailing |
|---|---|---|
| Zielgeruch | Bodenverletzung (Zertretene Vegetation) | Individualgeruch (Hautzellen/DNA) |
| Untergrund | Weicher Boden (Acker, Wiese, Wald) | Überall (Asphalt, Stadt, Gebäude, Wald) |
| Ausführung | Exakt spurtreu („wie auf Schienen“) | Spurtreue ist zweitrangig, Finden ist das Ziel |
| Start | Abgangstafel / Fährtenabgang | Geruchsartikel (Tüte/Glas) |
| Ausrüstung | Oft Böttcher-Geschirr, 10m Leine | Y-Geschirr, 5-7m Leine |
Kann ein Hund beides lernen?
Ja, aber es erfordert Disziplin vom Hundeführer. Hunde sind Kontext-Lerner. Wenn du beides trainieren willst, musst du klare Signale setzen („Diskriminative Reize“):
- Unterschiedliche Geschirre: Nutze z.B. ein Ledergeschirr für die Fährte und ein neongelbes Nylon-Geschirr fürs Trailen.
- Unterschiedliche Kommandos: „Such verloren“ für Fährte, „Trail“ für Mantrailing.
- Rituale: Fährtenarbeit beginnt oft mit Ruhe am Abgang, Mantrailing oft mit einem dynamischen „Anriechen“.

Welcher Sport passt zu meinem Hund?
Du bist unsicher, womit du anfangen sollst? Hier eine Entscheidungshilfe:
Wähle Mantrailing, wenn:
- Du in der Stadt wohnst und keine Äcker zur Verfügung hast.
- Dein Hund gerne „frei“ arbeitet und kreativ Lösungen sucht.
- Du einen unsicheren Hund hast (Mantrailing stärkt das Selbstbewusstsein enorm!).
Wähle Fährtenarbeit, wenn:
- Du Perfektionist bist und exaktes Arbeiten liebst.
- Dein Hund dazu neigt, hektisch zu sein und „herunterfahren“ soll (Fährte ist meditative Konzentration).
- Du Ambitionen im Vielseitigkeitssport (IGP) hast.
🐾 Aus meiner Praxis: Der befreite Malinois
Ich erinnere mich an „Rex“, einen Malinois aus dem Schutzhundesport. Er sollte fährten, war aber völlig frustriert, weil er ständig korrigiert wurde, wenn er die Nase hob. Er wollte schnell zum Ziel.
Wir wechselten zum Mantrailing. Plötzlich blühte der Hund auf. Seine „Fehler“ aus der Fährte (hohes Tempo, Nase im Wind, Abkürzen in Kurven) waren im Mantrailing plötzlich Talente! Manche Hunde sind geborene „Luftwitterer“. Hör auf deinen Hund – er zeigt dir oft, welche Disziplin ihm im Blut liegt.
Häufige Fragen zum Vergleich
Ist Mantrailing anstrengender als Fährte?
Anders anstrengend. Fährtenarbeit erfordert immense Konzentration und Selbstdisziplin (jeden Schritt prüfen). Mantrailing ist körperlich oft anstrengender (höheres Tempo, Zug auf der Leine) und mental fordernd durch die Umweltreize in der Stadt.
Kann man eine Fährte auf Asphalt legen?
Theoretisch ja (Eigenfährte), aber es ist extrem schwierig, da die Bodenverletzung fehlt. Klassische Fährtenarbeit findet fast immer auf gewachsenem Boden (Wiese/Acker) statt. Mantrailing hat auf Asphalt seinen großen Vorteil, da Hautschuppen dort liegen bleiben oder in Rinnsteine geweht werden.
Was ist „Pettrailing“?
Pettrailing ist Mantrailing, bei dem das Ziel kein Mensch („Man“), sondern ein entlaufenes Tier („Pet“) ist. Die Technik ist identisch, aber der Geruchsartikel ist dann z.B. ein Büschel Fell des entlaufenen Hundes.
Quellenhinweis & Standards: Die Unterscheidung der Disziplinen folgt den Definitionen des Deutschen Verbandes der Gebrauchshundsportvereine (DVG) sowie biologischen Grundlagen der Kynologie.



