Ein Mantrailer im Realeinsatz bei Regen

Mantrailing im Realeinsatz: Polizei & Rettungshunde (Die Wahrheit)

Teile diesen Beitrag
⚠️ Warnung vor Eigenmächtigkeit: Die Suche nach echten vermissten Personen ist Hoheitsaufgabe der Polizei und alarmierter Rettungshundestaffeln. Private Suchtrupps können Spuren zerstören und sich strafbar machen (§ 323c StGB / Behinderung von Hilfsmaßnahmen). Rufen Sie im Notfall immer die 110.

Im Fernsehen sieht es einfach aus: Der Kommissar hält dem Hund eine Tüte hin, der Hund rennt los und stellt den Täter nach 5 Minuten im Gebüsch. Die Realität im Einsatz ist anders. Sie ist nass, dunkel, frustrierend und oft stundenlang. Als ehemalige Einsatzkraft im DRK weiß ich: Zwischen Sport-Trailen und Realeinsatz liegen Welten. Hier erkläre ich dir den Unterschied und wie die Profis wirklich arbeiten.

📌 Realität vs. Sport

  • Der Auftrag: Polizei sucht Täter oder Beweismittel (Strafverfolgung). Rettungshunde (HiOrgs) suchen vermisste Personen (Gefahrenabwehr).
  • Double Blind: Im Einsatz weiß niemand, wo die Person ist. Der Hundeführer muss seinem Hund zu 100% vertrauen.
  • Spuralter: Einsatzhunde arbeiten oft Spuren, die 24 bis 48 Stunden alt sind („Aged Trails“).
  • Das Ende: Im Sport gibt es immer eine Party. Im Einsatz gibt es oft kein Ergebnis (Spur endet) oder einen traurigen Fund.

📚 Der Kontext: Dieser Artikel ist der Abschluss der Serie „Mantrailing Wissen“. Zurück zur Hauptübersicht

Inhaltsverzeichnis ausklappen

Sport vs. Einsatz: Die psychologische Hürde

Im Sport-Training bauen wir Szenarien so auf, dass der Hund gewinnt. Wir kennen den Weg (zumindest der Trainer), wir wissen, dass am Ende jemand mit Futter wartet.

Im Realeinsatz („Echt-Einsatz“):

  • Stress: Angehörige weinen, Polizei ist vor Ort, Funkgeräte rauschen. Dieser Stress überträgt sich über die Leine auf den Hund.
  • Ungewissheit: Ist die Person überhaupt hier lang gelaufen? Oder ist sie in einen Bus gestiegen? Der Hund muss ein „Negativ“ (keine Spur) genauso sicher anzeigen wie eine Spur.
  • Dauer: Einsätze können über viele Kilometer und Stunden gehen. Physische Fitness ist Grundvoraussetzung.
Split-Screen: Links sonniger Park mit lachenden Menschen (Sport), Rechts dunkle Regennacht mit Blaulicht und ernsten Gesichtern (Einsatz)
Der größte Unterschied ist nicht die Nase des Hundes, sondern der Druck auf den Menschen.

Die Diensthunde der Polizei (Strafverfolgung)

Polizeihunde sind „Beamte auf vier Pfoten“. Ihre Ausbildung unterliegt strengen Dienstvorschriften (PDV).

  • Mantrailer (Personenspürhunde): Suchen spezifische Täter oder Vermisste anhand von Geruchsartikeln.
  • Fährtenhunde: Suchen oft bodenständig nach flüchtigen Tätern oder Diebesgut auf frischer Tat.
  • ID-Tracking: Eine forensische Methode. Der Hund muss aus einer Reihe von Personen (Line-up) denjenigen identifizieren, dessen Geruch an einer Tatwaffe war (Geruchsdifferenzierung). Das dient als Indiz vor Gericht.

Die Rettungshundestaffeln (Gefahrenabwehr)

Organisationen wie das Deutsche Rote Kreuz (DRK), Johanniter (JUH), Malteser (MHD), ASB oder der Bundesverband Rettungshunde (BRH) arbeiten meist ehrenamtlich. Sie werden von der Polizei alarmiert, wenn es um „Gefahr für Leib und Leben“ geht (z.B. demenzkranke Senioren, suizidgefährdete Personen, weggelaufene Kinder).

Die Taktik: Ein Mantrailer wird oft als „Spezialist“ eingesetzt, um die Richtung zu bestimmen („Richtungsausscheid“). Er grenzt das Gebiet ein (z.B. „Person lief in den Wald“). Danach übernehmen oft Flächensuchhunde, die das Waldgebiet frei absuchen.

Der Weg zum Einsatzhund (Prüfung)

Es dauert ca. 2 bis 3 Jahre, bis ein Team „einsatzfähig“ ist. Die Prüfung (z.B. GemPPO nach DIN 13050) ist hart:

  • Alter der Spur: Bis zu 24-36 Stunden.
  • Länge: Ca. 2-3 Kilometer durch Stadt und Land.
  • Theorie: Der Hundeführer muss Sanitätsausbildung, Funken, Karte/Kompass und Kynologie beherrschen.
  • Wiederholung: Die Prüfung muss alle 18-24 Monate wiederholt werden.
Treppe mit Stufen: Eignungstest -> Grundausbildung -> Fachausbildung -> Vorprüfung -> Hauptprüfung -> Einsatz
Ein langer Weg: Von 10 Teams, die anfangen, schaffen es statistisch nur 1-2 bis zur Einsatzreife.

Wo die Hundenase endet

Wir dürfen Hunde nicht mystifizieren. Auch der beste Mantrailer hat Grenzen.

  • Keine Spur: Wenn die Person ins Auto gestiegen ist („Pick-up“), endet die Spur abrupt. Der Hund muss das anzeigen (End of Trail).
  • Wetter: Starker Sturm oder tagelange Hitze können Spuren zerstören.
  • Kontamination: Ein schlecht gesicherter Geruchsartikel führt ins Leere.

🐾 Aus meiner Praxis: Der „Abbruch“ als Erfolg

Wir wurden zu einer Suche nach einer Seniorin alarmiert. Mein Hund nahm am Altenheim die Spur auf, lief 500 Meter zur Bushaltestelle, kreiste dort kurz und setzte sich hin (Anzeige „Ende“). Er suchte nicht weiter.

Die Polizei prüfte die Kameras der Buslinie. Tatsächlich war die Dame in den Bus gestiegen. Hätte ich meinen Hund gezwungen, weiterzusuchen („Da muss doch was sein!“), wären wir stundenlang in die falsche Richtung gelaufen. Die Aussage „Hier endet es“ ist im Einsatz oft wertvoller als das Finden selbst.


Häufige Fragen zum Realeinsatz

Kann ich mit meinem Hund in eine Rettungshundestaffel?

Ja, die HiOrgs (DRK, ASB, etc.) suchen immer Nachwuchs. Aber: Es ist ein Ehrenamt, kein Hobby. Du trainierst 2-3x pro Woche bei Wind und Wetter, machst Sanitätskurse und musst im Alarmfall nachts raus. Dein Hund muss wesensfest und gesund sein.

Welche Rassen nutzt die Polizei?

Oft Bloodhounds oder Bayerische Gebirgsschweißhunde wegen ihrer extremen Nasenleistung. Aber auch Malinois oder Weimaraner werden geführt. In den ehrenamtlichen Staffeln findest du alle Rassen, vom Labrador bis zum Mischling.

Was passiert, wenn der Hund die Person findet?

Im Training gibt es Futter. Im Einsatz sichert der Hundeführer den Hund, gibt ihm eine Bestätigung (Futter/Lob) und tritt dann zurück, damit die Sanitäter oder der Notarzt sich um den Patienten kümmern können. Der Hund darf den Gefundenen nicht bedrängen.

Quellenhinweis & Standards: Die Informationen zu Prüfungsordnungen und Einsatztaktik basieren auf der Gemeinsamen Prüfungs- und Prüferordnung (GemPPO) der hilfeleistenden Organisationen in Deutschland.

Sabine Reincke
Sabine Reincke

Sabine Reincke: Eine umfassend erfahrene Expertin für alle Themen rund um den Hund. Mit über 15 Jahren praktischer Erfahrung, darunter 10 Jahre in der DRK Rettungshundestaffel und als Mantrailer, kombiniert Sabine tiefgreifendes Fachwissen in Hundeerziehung, -verhalten und Rassekunde mit unschätzbarer praktischer Erfahrung. Derzeit vertieft sie ihre Kenntnisse in einer Hundetrainer-Ausbildung und ergänzt dies durch diverse Fachseminare, auch im Bereich Hundegesundheit. Als ausgebildete Sanitäterin und durch ihre Präsenz in der Presse ist Sabine eine anerkannte Autorität, die vertrauenswürdige und fundierte Informationen zu allen Aspekten des Hundelebens bietet.

Artikel: 209
Cookie Consent mit Real Cookie Banner