
Hund in der Pubertät: Wann sie beginnt und wie Sie die „Ohren auf Durchzug“ überleben
Gestern konnte er noch perfekt „Sitz“ und kam auf den ersten Pfiff. Heute steht er auf der Wiese, schaut Sie an als hätten Sie Chinesisch gesprochen und jagt dann einem Schmetterling hinterher. Willkommen in der Pubertät!
Als Hundetrainerin ist das mein Hauptgeschäft: Verzweifelte Halter beruhigen, die denken, sie hätten in der Erziehung versagt. Haben Sie nicht. Ihr Hund ist nur „wegen Umbau geschlossen“. In diesem Artikel erkläre ich Ihnen, was im Gehirn Ihres Junghundes passiert und warum jetzt Humor wichtiger ist als Drill.
📌 Das Wichtigste in Kürze (Fakten-Check)
- Start: Je nach Rasse ab dem 6. bis 12. Lebensmonat (kleine Hunde früher, große später).
- Dauer: Bis zur geistigen Reife (ca. 2 bis 3 Jahre!). Es ist kein Sprint, sondern ein Marathon.
- Biologie: Das Gehirn baut sich um. Synapsen werden gelöscht, das Hormon-Chaos blockiert den Gehorsam.
- Strategie: Management (Schleppleine!) statt Konflikt. Sichern Sie das Gelernte ab, statt Neues zu pauken.
💡 Tipp: Viele Probleme in dieser Phase (wie Pöbeln an der Leine) sind Unsicherheit. Lesen Sie dazu: Hund bellt alles an (Leinenaggression).
Inhaltsverzeichnis ausklappen
Baustelle Gehirn: Warum er nicht hört
Es fühlt sich an wie Provokation, ist aber Biologie. Im Gehirn findet ein massiver Umbau statt:
- Synapsen-Sterben: Das Gehirn wird effizienter. Verbindungen, die nicht oft genutzt werden, werden „gekappt“. Manchmal erwischt es dabei vorübergehend auch das „Sitz“.
- Die Amygdala (Angstzentrum): Sie wächst und reagiert überempfindlich. Der Hund ist emotionaler und ängstlicher.
- Der Cortex (Denkzentrale): Er ist zeitweise „abgeklemmt“. Impulskontrolle fällt schwer.
Stellen Sie sich vor, Ihr Hund hat schlechten Handyempfang. Ihre Kommandos kommen nur bruchstückhaft an.
Die Phasen der Pubertät (Zeitstrahl)
Die Pubertät verläuft nicht linear, sondern in Wellen.
1. Die Vorpubertät (ca. 6.–9. Monat)
Der Körper verändert sich. Rüden heben das Bein, Hündinnen werden das erste Mal läufig. Der Radius vergrößert sich, das Interesse an anderen Hunden steigt.
2. Die Hochphase (ca. 9.–18. Monat)
Jetzt wird es anstrengend. Grenzen werden getestet, Territoriales Verhalten erwacht. Viele Hunde entwickeln jetzt Jagdtrieb oder Leinenaggression.
3. Die Nachreife (bis zum 3. Jahr)
Der Hund wirkt oft schon erwachsen, ist im Kopf aber noch nicht „fertig“. Besonders bei großen Rassen dauert die geistige Reife lange.

Hilfe, Mülltonnen sind Monster! (Spooky Periods)
Plötzlich bellt Ihr Hund den gelben Sack an, an dem er monatelang vorbeigelaufen ist. Man nennt das „Spooky Periods“ (Fremdelphasen). Durch den Umbau im Gehirn nimmt der Hund die Umwelt neu wahr. Bekanntes wirkt plötzlich bedrohlich.
Was tun? Zwingen Sie ihn nicht hin („Da ist doch nichts!“). Geben Sie ihm Zeit, den Grusel-Gegenstand im eigenen Tempo zu erkunden. Seien Sie sein sicherer Hafen, nicht sein Drill-Instructor.
Hormone: Hilft Kastrieren gegen Pubertät?
Viele Halter denken: „Schnipp Schnapp, Problem gelöst.“ Das ist ein Trugschluss. Die Pubertät ist wichtig für die Reifung – auch für das Selbstbewusstsein.
Wenn Sie einen unsicheren Junghund in der Angstphase kastrieren, nehmen Sie ihm das Testosteron (Mutmacher). Er bleibt oft lebenslang ängstlich. Warten Sie mit dieser Entscheidung unbedingt ab! Mehr dazu in unserem Spezial-Artikel: Hund kastrieren: Pro & Contra.
🐾 Aus meiner Praxis: Die Schleppleinen-Pflicht
Der häufigste Satz meiner Teilnehmer: „Er ist weggelaufen, das hat er noch nie gemacht!“ In der Pubertät entdeckt der Hund den Jagdtrieb und die Unabhängigkeit. Mein wichtigster Rat: Sobald die Ohren auf „Durchzug“ stehen, kommt die Schleppleine dran. Geben Sie ihm keine Chance, Erfolgserlebnisse beim Weglaufen zu sammeln. Die Leine bleibt dran, bis der Rückruf wieder zu 100% sitzt – auch wenn das 6 Monate dauert. Sicherheit geht vor Freiheit.
Häufige Fragen (FAQ)
Wann ist die Pubertät beim Hund vorbei?
Die körperliche Geschlechtsreife ist früh erreicht (6-12 Monate), aber die geistige Reife („Soziale Reife“) dauert je nach Rasse bis zum 2. oder 3. Lebensjahr. Ein Labrador ist früher „fertig“ als ein Herdenschutzhund.
Mein Hund vergisst alle Kommandos – was tun?
Gehen Sie im Training drei Schritte zurück. Belohnen Sie wieder einfacher und großzügiger. Schimpfen bringt nichts, da der Hund es nicht absichtlich macht. Managen Sie die Situation (Leine dran), statt Konflikte zu suchen.
Darf ich in der Pubertät das Futter umstellen?
Ja, oft ist jetzt der Wechsel auf „Adult“-Futter sinnvoll, da der Energiebedarf für das Höhenwachstum sinkt und der Hund sonst ansetzt („Babyspeck“).
Quellenhinweis: Die neurobiologischen Hintergründe zum Umbau des Hundegehirns in der Adoleszenz basieren auf aktuellen verhaltensbiologischen Studien (u.a. Dr. Sophie Hall).



