
Geruchsdifferenzierung Hund: So wird Ihre Spürnase zum Profi
Jeder Hund kann riechen. Aber nicht jeder Hund kann unterscheiden („differenzieren“). Stellen Sie sich vor, Sie zeigen Ihrem Hund ein rotes Tuch und schicken ihn in einen Raum voller Tücher. Er soll nicht irgendein Tuch bringen, sondern exakt das rote. Beim Mantrailing tun wir genau das – nur mit der Nase. Wir sagen: „Hier ist Geruch X. Finde X und ignoriere Y und Z.“ Das ist der Schlüssel für saubere Arbeit in der Stadt.
📌 Das Wichtigste zur Differenzierung
- ✅ Das Prinzip: „Match-to-Sample“. Der Hund gleicht den Geruch am Start (Referenz) mit der Spur ab.
- ✅ Die Herausforderung: In der Stadt gibt es tausende „Verleitgerüche“ (andere Menschen, Hunde, Essen). Der Hund muss lernen, diese aktiv zu ignorieren.
- ✅ Der Aufbau: Wir starten oft mit „Line-ups“ (Reihenunterscheidung) von Gläsern oder Personen.
- ✅ Das Ziel: Ein Hund, der an einer Kreuzung nicht die frischeste Spur nimmt, sondern die richtige.
📚 Der Kontext: Dieser Artikel ist Teil der Serie „Mantrailing für Fortgeschrittene“. Zurück zur Übersicht
Inhaltsverzeichnis ausklappen
Was genau ist Geruchsdifferenzierung?
Im Anfängertraining („Fire Trail“) motivieren wir den Hund oft über Sichtreize. Er lernt: „Da rennt jemand weg, den suche ich.“ Das ist Jagdverhalten, aber noch keine echte Nasenarbeit.
Echtes Mantrailing beginnt, wenn wir dem Hund einen Geruchsartikel (Scent) präsentieren und er eine kognitive Entscheidung treffen muss:
„Ich habe Geruch A in der Nase. Auf dem Boden liegen Spur A, Spur B und Spur C. Ich muss B und C ignorieren und A folgen.“
Das Problem mit der Kontamination
Warum ist das so wichtig? Weil wir im Alltag selten sterile Bedingungen haben. Ein Beispiel:
Die vermisste Person (Ziel) saß im Bus. Auf ihrem Sitz saßen vorher drei andere Leute. Wenn du einen Abstrich vom Sitz nimmst, hast du vier Gerüche im Glas. Ein gut trainierter Hund sucht die frischeste Spur oder diejenige, die am dominantesten ist. Ein Profi-Hund kann lernen, den Geruch zu isolieren.

Übung 1: Das Line-up (Reihenunterscheidung)
Diese Übung machen wir oft „statisch“ ohne Leinenarbeit, um das Prinzip zu erklären.
Aufbau:
- Drei Personen stehen in einer Reihe (Abstand 2-3 Meter).
- Du hast den Geruchsartikel von einer dieser Personen (Zielperson).
- Du lässt den Hund anriechen und schickst ihn zur Reihe („Check“).
- Der Hund schnuppert an Person 1 (Falsch) -> Keine Reaktion der Person.
- Der Hund schnuppert an Person 2 (Richtig) -> Party! Person 2 füttert den Hund sofort.
Ziel: Der Hund lernt: „Nur die Person, die so riecht wie mein Start-Artikel, hat die Wurst.“
Übung 2: Der Split-Trail (Entscheidung am Weg)
Jetzt bringen wir Bewegung ins Spiel. Wir legen zwei Spuren, die am gleichen Punkt starten, aber auseinandergehen (Y-Form).
- Person A (Ziel): Geht nach links.
- Person B (Verleitung): Geht zeitgleich nach rechts.
Am Startpunkt liegen beide Gerüche übereinander. Der Hund bekommt den Artikel von A. An der Gabelung muss er sich entscheiden. Geht er nach rechts (falsch), bleibst du stehen (passiv, kein Ruck). Korrigiert er sich nach links, lobst du leise und folgst ihm.

Profi-Wissen: Spurendifferenzierung (Alt vs. Neu)
Die Königsklasse ist nicht „Mensch A vs. Mensch B“, sondern „Mensch A (alt) vs. Mensch A (neu)“.
Wenn eine vermisste Person im Kreis gelaufen ist oder einen Weg hin- und zurückging, kreuzt sie ihre eigene Spur. Der Hund muss erkennen: „Hier war er vor 2 Stunden“ (alte Spur) vs. „Hier war er vor 10 Minuten“ (frische Spur). Ein guter Mantrailer entscheidet sich immer für die frischere Spur, da diese zur Person führt.
Erfahre hier mehr über das Training von alten Spuren.
🐾 Aus meiner Praxis: Der „Verführer“
Wir hatten einen Labrador in der Staffel, der Menschen liebte. Jeden Menschen. Im Training legten wir ihm eine Verleitung: Eine freundliche Person stand am Wegrand mit einem Spielzeug, aber sie war nicht die gesuchte Person.
Anfangs rannte er freudig hin („Oh, ein Mensch!“). Wir ließen ihn auflaufen – die Person ignorierte ihn komplett (kein Blick, keine Ansprache). Er war verwirrt. Dann boten wir ihm nochmal den Geruchsartikel an. Er verstand: „Achso, der falsche Typ ist langweilig!“ Nach drei Wiederholungen ignorierte er selbst Menschen mit Würstchen in der Hand, wenn sie nicht „nach Tüte“ rochen. Das ist Differenzierung.
Häufige Fragen zur Differenzierung
Mein Hund wechselt die Spur, wenn ein anderer Hund vorbei kam. Was tun?
Das ist klassisches Jagdverhalten oder soziale Neugier. Bleib stehen (passiv), lass ihn schauen, aber folge ihm nicht. Sobald er sich wieder der menschlichen Spur zuwendet, lobst du ihn und gehst weiter. Er lernt: „Erfolg habe ich nur auf der Menschenspur.“
Wie lange dauert es, bis ein Hund das kann?
Die Basis („Suche Geruch X“) verstehen Hunde sehr schnell, oft in wenigen Einheiten. Die Zuverlässigkeit bei starken Ablenkungen (läufige Hündin, Essen am Wegesrand) dauert Monate bis Jahre.
Kann man Differenzierung im Haus üben?
Ja! Verstecke den Lieblingsdummy und einen „neutralen“ Dummy. Lass ihn am richtigen anriechen. Bringt er den falschen, ignoriere es. Bringt er den richtigen: Party! Das ist eine tolle Auslastung für Regentage.
Quellenhinweis & Standards: Die Methoden zur Geruchsdifferenzierung basieren auf lerntheoretischen Grundlagen der operanten Konditionierung sowie Standards der National Bloodhound Association of Switzerland (NBAS).



